Gutachten beschreibt schwere Fehler
von Rundfunkrat und Verwaltungsrat
VON JENS PETER PAUL
28. September 2023, 16:00 Uhr
Unzulässig, überfordert, ungeeignet, selbstherrlich, amateurhaft, nicht integer, nicht qualifiziert, unprofessionell, das Gegenteil von staatsfern - die Attribute, die der Potsdamer Medienrechtler Marcus Schladebach in seinem von der rbb-Belegschaft in Auftrag gegebenen Gutachten zu Vorbereitung, Ablauf und Ergebnis der Entscheidung über die Nachfolge von rbb-Intendantin Patricia Schlesinger verwendet, sind vernichtend.
Ulrike Demmers Wahl vom 16. Juni zur neuen Senderchefin sei unter irregulären Voraussetzungen und Umständen zustande gekommen, somit ungültig und einschliesslich Neuausschreibung der Position zu wiederholen. Die Vorsitzenden von Rundfunkrat und Verwaltungsrat, so das Dokument, seien übergriffig und unfähig und unverzüglich abzulösen.
Demmer selbst, erst seit 1. September im Amt nach Gezerre mit dem Verwaltungsrat um ihren Dienstvertrag bis zur letzten Minute, habe den Chefsessel in Charlottenburg ebenfalls unverzüglich zu räumen. Sie hätte laut Gutachten aus mindestens zwei durchgreifenden Gründen unter den 50 Bewerberinnen und Bewerbern gar nicht erst in die engere Wahl gelangen dürfen.
Rundfunkrat und Verwaltungsrat des Rundfunks Berlin-Brandenburg hätten bei der Klärung der Nachfolgefrage im Krisensender, so der 19-seitige Totalverriß, alles verkehrt gemacht, was man nur verkehrt machen kann. Damit seien, so Professor Schladebach, auch Oliver Bürgel (SPD-nah) und Benjamin Ehlers (SPD), die Vorsitzenden der beiden Gremien, keinen Moment länger in ihren Funktionen tragbar.
Die Rolle von Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) beschreibt der Potsdamer Medienrechtler als gleichfalls übergriffig, zwei Parlamente verachtend und in der Folge ebenfalls verheerend.
Dass Bürgels Stellvertreterin im Ratsvorsitz Elisabeth Herzog von der Heide (SPD) als Korrektiv ebenso ausfiel wie die Potsdamer Staatskanzlei mit Staatssekretär Benjamin Grimm (SPD) als Rechtsaufsicht, ist dem Gutachten schon gar keine Erwähnung mehr wert. Oder wie es im Magazin Cicero zwei Tage nach der Wahl Demmers hiess: „Das war ein glatter Putsch der SPD“.
Beobachter werten das von rbb-Personalrat und rbb-Freienvertretung vor zwei Monaten bei der Potsdamer Universität in Auftrag gegebene und ihnen seit Montag vorliegende Gutachten als knallharte Ansage mindestens an die eigenen Aufsichtsgremien - wenn nicht in der Intention, dann jedenfalls im Ergebnis. Was das Papier für die Rolle der neuen Intendantin bedeuten wird, ist zur Stunde noch völlig offen.
Im Mittelpunkt dieses Mißtrauensvotums stehen für die Auftraggeber der Studie die Vorsitzenden von Rundfunkrat und Verwaltungsrat, beide erst seit wenigen Monaten im Amt. Es handelt sich wiederum um einen in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland bislang einmaligen Vorgang.
Wie aus dem Funkhaus verlautet, tendiert der Personalrat dazu, die beiden Herren aufzufordern, ihre Ämter ab sofort bis zur endgültigen Klärung etwaiger Rechtsverstösse ruhen zu lassen. Anschliessend müssten die Vorgänge rund um die Nachfolge von Patricia Schlesinger gründlichst aufgearbeitet und "evaluiert" werden.
Man sei jedenfalls im Moment aber nicht daran interessiert, nun auch Ulrike Demmer "abzusägen", so die jüngste Meldung vom Flurfunk. Anscheinend wird auch die neue Intendantin auf eine gewisse Weise in der Belegschaft als Opfer widerrechtlicher Machenschaften zweier Herren betrachtet.
Fakt ist aber auch: Die nunmehr im Detail aufgelisteten Verfehlungen von Bürgel und Ehlers vor, während und auch noch nach der Intendantenwahl, die Fassungslosigkeit, weitere Verwerfungen und emotionale Ausbrüche auf der Personalseite zur Folge hatten, rissen in der Belegschaft offensichtlich bislang unterschätzte Wunden.
Die unsägliche Rolle der SPD in dieser Schlesinger-Folgeaffäre erfordert nach Meinung von Beobachtern spätestens jetzt einen Untersuchungsausschuss, gemeinsam einzusetzen von den Landtagen von Berlin und Brandenburg.
In der ARD wird man die jüngste Entwicklung im Skandalsender rbb ein weiteres Mal mit Schrecken beobachten.
Es platzt die Hoffnung, das Berlin-Brandenburger Mitglied der Arbeitsgemeinschaft werde nach 15 Krisenmonaten und mit einer neuen Intendantin nunmehr langsam zur Ruhe kommen, auch wenn die Entscheidung des rbb-Rundfunkrats für eine ehemalige Regierungssprecherin in den acht übrigen Anstalten zwischen München und Hamburg alles andere als erfreut zur Kenntnis genommen wurde, zumal der Bremer Kandidat Jan Weyrauch zuvor vom Vorsitzenden des Verwaltungsrates regelrecht herausgemobbt worden war.
Nicht viel besser war es zuvor bereits WDR-Krisenhelferin Katrin Vernau gegangen.
Marcus Schladebachs Gutachten beschreibt das alles mit einem gerüttelt Maß an Fassungslosigkeit. An mehreren Stellen kann er, für einen Juristen und Hochschullehrer ungewöhnlich, kaum an sich halten.
Seit heute mittag liegt das Dokument den 30 Mitgliedern des Rundfunkrates vor, wenige Stunden vor Beginn seiner Präsenzsitzung in Potsdam-Babelsberg. Der rbb-Belegschaft insgesamt dürfte es erst in der Folge dieser Sitzung bekannt werden.
Wir dokumentieren das Gutachten als Zeugnis der Rundfunkgeschichte mit Sitzungsbeginn hier im Wortlaut, gekürzt im Interesse der Lesbarkeit lediglich um Gliederung, Fußnoten, detaillierte Rechtsverweise sowie einen letzten Absatz zu grundsätzlichen Erwägungen im Hinblick auf den künftigen rbb-Staatsvertrag.
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Dokumentation: Gutachten von Marcus Schladebach, Professor für Öffentliches Recht, Medienrecht und Luft- und Weltraumrecht, Juristische Fakultät der Universität Potsdam. Erstellt im Auftrag der Mitarbeitervertretungen des rbb zur Prüfung der Beteiligungsrechte der Mitarbeitervertretungen bei der Wahl der rbb-Intendanz.
1. Die permanente Nichtberücksichtigung der Interessen der Mitarbeitervertretungen, insbesondere des Vorschlags zur angemessenen Verschiebung der Intendantenwahl, beschränkte das Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretungen bei der Einstellung der neuen Intendantin in rechtlich unzulässiger Weise.
2. Die Wahl der rbb-Intendanz im Frühjahr 2023 litt an zahlreichen formalen und inhaltlichen Fehlern, so dass nur eine Neuwahl den eingetretenen rechtswidrigen Zustand beheben kann.
3. Die für die unprofessionell geleitete Wahl maßgeblich verantwortlichen Vorsitzenden des Rundfunkrats sowie des Verwaltungsrats sind zwingend abzuberufen und durch fachlich kompetente und im Öffentlichen Medienrecht ausgewiesene Experten zu ersetzen.
4. Die Zusammensetzung des Verwaltungsrats als dem wichtigsten Aufsichtsgremium des rbb ist kritisch zu überprüfen, da nicht alle dortigen Mitglieder die zur Aufsicht über eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt erforderliche Eignung und Integrität aufweisen.
5. Die im manipulierten Wahlverfahren gewählte Kandidatin Demmer erfüllt die Bewerbungsvoraussetzungen für die Position als Intendantin des rbb nicht. Weder hat sie vor der Wahl eine hierfür relevante hervorgehobene Tätigkeit im öffentlich-rechtlichen Medienkontext ausgeübt, noch kann sie die unabdingbare Staatsfeme gewährleisten. Sie ist daher unverzüglich abzuberufen.
Die für die Neuwahl in die engere Auswahl zu ziehenden Kandidat:innen sollten auch tatsächlich dem Anforderungsprofil entsprechen, das sich aus dem Ausschreibungstext klar und unmissverständlich ergibt.
6. Die Regelungen des rbb-Staatsvertrags sind im Hinblick auf die Wahl der Gremien zu überarbeiten. Dabei sind die Interessen der Mitarbeitervertretungen gesetzlich besonders hervorzuheben.
1. Die Kündigung der ehemaligen rbb-Intendantin Patricia Schlesinger am 22.8.2022 durch den rbb-Verwaltungsrat hat die Neuwahl einer Intendantin bzw. eines Intendanten (nachfolgend „Intendanz") erforderlich werden lassen.
Nach einem förmlichen Verfahren vom 8.12.2022 bis 16.6.2023, das durch eine Findungs- und Wahlkommission (nachfolgend „FinKo") vorbereitet und durchgeführt worden ist, wurde vom Rundfunkrat am 16.6.2023 Frau Ulrike Demmer zur neuen rbb-Intendantin gewählt.
Die in dieses Verfahren eingebundenen Mitarbeitervertretungen (Personalrat und Freienvertretung) haben erhebliche Kritik am Ablauf und am Ergebnis des Wahlverfahrens geübt. Ihrer Ansicht nach ist jenes nicht ordnungsgemäß verlaufen und hat die Beteiligungsrechte der Mitarbeitervertretungen unzulässig beeinträchtigt.
2. Der Verfasser ist daher mit Bestellungsschreiben vom 3.8.2023 von den Mitarbeitervertretungen mit einer rechtlichen Bewertung beauftragt worden, inwieweit die Arbeit der FinKo und das Verfahren zur Wahl der Intendantin des rbb insgesamt ordnungsgemäß verlaufen ist oder gegebenenfalls Beteiligungsrechte der eingebundenen Mitarbeitervertretungen - insbesondere des Personalrats - behindert, beeinträchtigt oder eingeschränkt wurden.
3. Grundlagen dieser Bewertung sind das Positionspapier der Mitarbeitervertretungen vom 8.8.2023, die Pressemitteilungen des rbb, die Stellenausschreibung für die Intendanz sowie die einschlägigen Rechtsgrundlagen.
4. Die hier in Rede stehende Rechtsfrage, ob und inwieweit das durchgeführte Wahlverfahren ordnungsgemäß verlaufen ist, berührt die gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungsrechte der rbb-Mitarbeitervertretungen.
Maßgebend ist dafür das über § 34 I rbb-StV anzuwendende Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG), wobei die Regelungen über die Rundfunkanstalt des Bundesrechts „Deutsche Welle" entsprechend gelten. Das Deutsche-Welle-Gesetz (DWG) enthält allerdings insoweit keine Vorgaben, sodass es bei den Beteiligungsrechten bleibt, die vom BPersVG bestimmt werden.
5. § 78 I Nr. 1 BPersVG sieht vor, dass der Personalrat in Personalangelegenheiten bei Einstellungen mitbestimmt. Der Begriff „Personalrat" ist hier in einem erweiterten Sinn zu verstehen und schließt wegen der organisatorischen Besonderheit, dass im rbb gem. § 34 II rbb-StV auch eine Freienvertretung gebildet worden ist, die Freienvertretung als Vertretung der freien Mitarbeiter:innen mit ein. Bei der Findung und Wahl einer neuen Intendanz handelt es sich um eine auf fünf Jahre befristete Einstellung.
Beide Mitarbeitervertretungen haben mehrmals in nicht misszuverstehender Deutlichkeit kritisiert, dass ihre Belange während des gesamten Wahlverfahrens nicht oder nur unzureichend Beachtung gefunden haben. Dadurch hätten sie die ihnen zugedachten Aufgaben - eine ordnungsgemäße Vertretung der Interessen der Mitarbeiter:innen - nicht sachgerecht erfüllen können.
Das ihnen zustehende Mitbestimmungsrecht bei Einstellungsfragen würde damit entwertet und marginalisiert. Durch das Wahlverfahren sind deshalb die Beteiligungsrechte des Personalrats jedenfalls betroffen, sodass ein nachdrückliches Interesse der Mitarbeitervertretungen an einer Bewertung der Rechtmäßigkeit des gesamten Wahlverfahrens existiert.
Unter Bezug auf die im Positionspapier chronologisch geschilderten Umstände sind zu den einzelnen Verfahrensschritten folgende rechtliche Bewertungen veranlasst:
I. Die Sichtung der Bewerber:innen am 2.5.2023
Bei der am Dienstag, dem 2.5.2023 vorgenommenen Sichtung der eingegangenen Bewerbungen sind der vom Vorsitzenden des Rundfunkrats geleiteten FinKo besonders gravierende formelle und inhaltliche Fehler unterlaufen.
Nachdem sich bis zum Fristende am (arbeitsfreien) Sonntag, dem 30.4.2023 insgesamt 50 Personen für das Amt der rbb-Intendanz beworben hatten und der darauffolgende Montag, der 1.5.2023 als gesetzlicher Feiertag ebenfalls arbeitsfrei war, hat die FinKo in einer an Willkür grenzenden Weise am Dienstag, dem 2.5.2023 offenbar 50 Bewerbungen gesichtet und dann fünf Bewerbungen ausgewählt.
Zwar hatte die FinKo zuvor „Anforderungen für das Amt" festgelegt, die in den Ausschreibungstext einflossen. Jedoch ist es praktisch unmöglich, bei einer Sichtung von 50 Bewerbungen in wenigen Stunden das Vorliegen dieser Anforderungen bei jeder einzelnen Bewerbung zu überprüfen.
Daneben wurde auch auf die für Bewerbungsverfahren dieser Relevanz übliche Vergleichs-Matrix verzichtet. Nicht auszuschließen ist, dass jeweils allein das Bewerbungsanschreiben gelesen wurde und sämtliche anderen Bewerbungsunterlagen unberücksichtigt blieben, weil keine ausreichende Zeit zu einer professionellen Sichtung und Vorauswahl blieb. An eine Verlängerung der Sichtung wurde offensichtlich nicht gedacht.
Allein diese Vorgehensweise legt offen, dass der FinKo-Vorsitzende, zugleich Vorsitzender des Rundfunkrats, nicht über die erforderlichen Mindestkenntnisse im Umgang mit Bewerbungen und den ordnungsgemäßen Ablauf eines Bewerbungsverfahrens verfügt.
Ohne jedes Verantwortungsbewusstsein und unter Verletzung des Rechts auf Chancengleichheit aus Art. 3 I GG wurden die Chancen von 45 Bewerber:innen zunichte gemacht. Dieser formelle Fehler macht die Wahl schon für sich genommen ungültig und infiziert darüber hinaus alle nachfolgenden Verfahrensschritte mit seiner Rechtswidrigkeit.
Durch diese oberflächliche, nicht kriterien-, sondern allein eindrucksbasierte Auswahl von fünf Bewerbungen wurde inhaltlich gegen das verfassungsrechtlich geregelte Leistungsprinzip - auch Gebot der Bestenauslese genannt - aus Art. 33 II GG verstoßen. Das Leistungsprinzip ist als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums ein tragendes Prinzip des Beamtenrechts und gilt entsprechend auch im gesamten Öffentlichen Dienstrecht.
Mit der Bestenauslese (Bestenauswahl) allein nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung werden das Interesse der Bewerber:innen an leistungsgerechter Einstellung als grundrechtsgleiches Recht und das öffentliche Interesse an einer sachkundigen effizienten Verwaltung geschützt.
Soweit bei einer Sichtung lediglich die Bewerbungsanschreiben im Schnelldurchlauf betrachtet und keinerlei Lebensläufe und die eigentlichen Bewerbungsunterlagen gelesen werden, kann nicht herausgefunden werden, welcher der 50 Bewerber nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung besonders für das ausgeschriebene Amt in Betracht kommt. Dazu müssten eine sorgfältige, verantwortungsvolle und professionelle Prüfung aller Bewerbungsunterlagen wie bei jedem sonstigen Auswahlverfahren und eine strukturierte Aussprache der FinKo über die Qualität jeder einzelnen Bewerbung erfolgen.
Da dies unterblieben ist, hat die FinKo gegen das Leistungsprinzip nach Art. 33 II GG verstoßen. Im Fall einer verwaltungsgerichtlichen Konkurrentenklage würde jedes Verwaltungsgericht dies bestätigen und allein deswegen eine Neuvornahme dieses Verfahrensschrittes anordnen.
Für diese formellen und inhaltlichen Mängel des Wahlverfahrens ist der FinKo-Vorsitzende. verantwortlich. Ihm oblag die organisatorische Durchführung der Sichtung, deren Resultat unhaltbar ist.
1. Verstoß gegen die Geschäftsordnung der FinKo
Die FinKo war nach§ 12 III GO-FinKo verpflichtet, dem Rundfunkrat für dessen Sitzung am 8.5.2023 „ein Ranking nach der Erfüllung der unter Absatz 1 festgelegten Anforderungen" vorzulegen. Dieser Verpflichtung ist die FinKo aus mehreren Gründen nicht nachgekommen.
Zunächst wurden die Kandidat:innen nicht nach den „festgelegten Anforderungen" gereiht (,,gerankt"), weil diese bei der bemerkenswerten Sichtung am 2.5.2023 und danach keine Rolle gespielt haben.
Außerdem wurden dem Rundfunkrat durch die FinKo nicht die Namen der fünf in die engere Wahl gezogenen Kandidat:innen genannt, was das Ranking vollkommen wertlos gemacht hätte.
Wie sich der Rundfunkrat ohne Namensnennung ein Bild von den Qualifikationen und der Eignung der Kandidat:innen machen sollte, bleibt unerfindlich. Schon aus Transparenzgründen mussten dem Rundfunkrat - so die richtige Grundidee - konkrete Namen und eine zumindest vorläufige Reihung präsentiert werden.
Mit dem Verschweigen der fünf Namen und dem Unterlassen des Rankings hat die FinKo gegen ihre eigene Geschäftsordnung verstoßen.
Diese und die auf sie gestützten Maßnahmen sind rechtlich auch verbindlich: In der 129. Sitzung des Rundfunkrats am 8.12.2022 wurde unter TOP 06 der Beschluss der Einsetzung der FinKo mit 16 Stimmen bei zwei Enthaltungen und zwei Gegenstimmen angenommen.
Die von der FinKo getroffenen Entscheidungen sind damit nicht nur Empfehlungen, sondern finden ihre Grundlage im erwähnten Beschluss des Rundfunkrats vom 8.12.2022 und haben deshalb verbindlichen Charakter.
Der Rundfunkrat entschied dann, dem personell unbekannten Votum der FinKo zu folgen und fünf noch unbekannte Kandidatinnen kennenzulernen, was eine absurde Maßnahme des Rundfunkrats darstellte. Ein solches Vorgehen ist von der Aufgabenbeschreibung des Rundfunkrats selbstverständlich nicht umfasst und demnach rechtswidrig.
2. Verstoß gegen die Pflicht zur externen Begutachtung
Mit diesem unzulässigen, weil geheimen Verfahrensteil im Rundfunkrat verbunden war ein weiterer Fehler: Da zumindest der FinKo die fünf Kandidatinnen-Namen bekannt gewesen sind, die dem Rundfunkrat rechtswidrig vorenthalten wurden, musste die FinKo nunmehr jede:n der fünf Kandidatinnen extern begutachten lassen.
Es gehört selbst in einfachen Bewerbungsverfahren an Universitäten zur unstrittigen Verpflichtung, die in die engere Wahl gezogenen Kandidat:innen jeweils von mindestens zwei externen Expert:innen begutachten zu lassen. Das muss erst recht für eine so hochrangige Position wie die der rbb-Intendanz gelten.
Insbesondere wenn der FinKo-Vorsitzende nicht über die fachliche Expertise bei der Durchführung hochrangiger Bewerbungsverfahren verfügt, musste er externe Gutachter:innen anfragen. Da dies nicht erfolgte, ist ein weiterer Fehler des Wahlverfahrens zu registrieren.
Die Verantwortlichkeit für den Verstoß gegen § 12 III, IV GO-FinKo und für die rechtswidrig unterlassene externe Begutachtung der fünf Kandidatinnen liegt beim FinKo-Vorsitzenden.
Die Vorstellungsgespräche in der FinKo am 26.5.2023 wiesen formelle und inhaltliche Fehler auf. Die Vorstellungsgespräche wurden vom FinKo-Vorsitzenden ausdrücklich als bloße „Kennenlerngespräche" verstanden. Sie verliefen nach der glaubhaften Schilderung von beteiligten Mitgliedern unstrukturiert und in Abwesenheit einiger FinKo-Mitglieder.
Bereits darin liegt ein weiterer formeller Fehler des Verfahrens, der erneut auf eine bemerkenswerte Unerfahrenheit des Vorsitzenden verweist.
Darüber hinaus kann nur mit völligem Unverständnis konstatiert werden, dass bei den Gesprächen der zuvor erarbeitete, ausführliche Fragenkatalog nicht verwendet wurde. Dadurch kamen auch die in der Ausschreibung deklarierten wichtigen Kriterien wie z. B. Management-, Budget- oder Personalerfahrung nicht zur Sprache.
Weshalb die exakt dafür ursprünglich eingerichtete FinKo ihre selbstgesetzten Auswahlkriterien nicht bewerberbezogen erörtert hat, bleibt unerklärlich. Dementsprechend blieben die Bemerkungen überwiegend sehr vage und korrespondierten kaum mit dem in Rede stehenden Anforderungsprofil.
Gegen Ende der „Kennenlerngespräche" konfrontierte der FinKo-Vorsitzende die Kandidat:innen mit einer Gehaltsobergrenze, die angeblich tags zuvor im Verwaltungsrat diskutiert worden war. Auch dieser Gesprächsabschnitt ließ die erforderliche Sensibilität und das situative Problembewusstsein vermissen.
Die Kandidat:innen wurden von der Frage überrumpelt. Die ungeschickte Fragetechnik, die erst recht für ein „Kennenlerngespräch" nicht zu erwarten war, zeigt ein weiteres Mal, dass der FinKo-Vorsitzende mit seiner - warum auch immer ihm angetragenen - Aufgabe deutlich überfordert war.
Die „Kennenlemgespräche" am 26.5.2023 beachteten nicht die formellen Anforderungen an solche wichtigen Gespräche, mit denen ein die Chancengleichheit wahrender Auswahlrahmen garantiert werden soll.
Bei den „Kennenlerngesprächen" blieben die Auswahlkriterien ungenutzt mit der Folge, dass eine wirkliche Vergleichbarkeit der Kandidat:innen nicht möglich war und daher der darauf angewiesene verfassungsrechtliche Grundsatz der Bestenauslese (Leistungsprinzip) nicht erfüllt werden konnte.
Für die zwingend vorzunehmende Bestenauslese fehlte hier der Vergleichsmaßstab. Grundlage der Einschätzung und womöglich des geheim gehaltenen „Rankings" war dann nur der persönliche Eindruck während des Gesprächs, nicht aber - wie unabdingbar gefordert - sind es die von der FinKo erarbeiteten fachlichen Auswahlkriterien gewesen.
Verantwortlich für diese unprofessionellen Vorstellungs- bzw. ,,Kennenlemgespräche", die an ihrer Zwecksetzung komplett vorbeigingen, war der FinKo-Vorsitzende.
Die FinKo hatte dem Vorsitzenden des Verwaltungsrats den Auftrag erteilt, den Kandidaten Weyrauch - nach verschiedenen bilateralen Irritationen - nach seinen Gehaltsvorstellungen zu fragen.
Dieser Auftrag ist bereits für sich genommen fragwürdig, da die Kandidat:innengespräche allein in der Zuständigkeit des FinKo-Vorsitzenden lagen. Für eine derartige Beauftragung bestand kein nachvollziehbarer Anlass.
Dass spätere Dienstverträge dann vom Verwaltungsrat geschlossen werden, rechtfertigt in keiner Weise, praktisch im Vorgriff auf den Vertragsschluss nun den Vorsitzenden des Verwaltungsrats aktiv werden zu lassen.
Ist also schon die Auftragserteilung fehlerhaft, so war es die Umsetzung durch den Vorsitzenden des Verwaltungsrats erst recht:
Auftragswidrig führte er mit dem Kandidaten Weyrauch weitergehende Gehaltsverhandlungen und verschlechterte durch sein Vorgehen das Verhältnis zu diesem aussichtsreichen Kandidaten kontinuierlich bis hin zum Abbruch von dessen Bewerbung.
Dass diese Gespräche mit dem Kandidaten Weyrauch mit dem Hinweis verbunden wurden, er (der Vorsitzende des Verwaltungsrats) sei „Herr des Verfahrens", würde von jedem außenstehenden Beobachter als kaum versteckte Drohung hinsichtlich einer Gehaltsobergrenze verstanden werden und legt mit entlarvender Deutlichkeit den selbstherrlichen Alleinentscheidungsanspruch des Gremienvorsitzenden offen.
Diese Kompetenzüberschreitung führte auch zu inhaltlichen Fehlern des Wahlverfahrens. Denn das Vorgehen, mit dem Kandidaten Weyrauch auch Gehaltsverhandlungen zu führen, hätte mit der gesamten FinKo rückgekoppelt und von dieser autorisiert werden müssen.
Die FinKo war das im Konsens eingesetzte Gremium und sollte durch ihre Zusammensetzung und ihre Geschäftsordnung demokratische Legitimation für das Wahlverfahren vermitteln.
Die über mehrere Tage autark geführten Gehaltsverhandlungen verstießen gegen das durch die FinKo verkörperte Demokratieprinzip. Für den Rundfunkrat resultiert daraus der klare und unabdingbare Auftrag, zu überprüfen, ob der Vorsitzende des Verwaltungsrats über ausreichende Kenntnisse grundlegender demokratischer Prozesse verfügt.
Eine weitere negative Folge der Kompetenzüberschreitung lag in dem vorläufigen Rückzug des Kandidaten Weyrauch. Damit war das verfassungsrechtlich geregelte Leistungsprinzip nach Art. 33 II GG in Frage gestellt.
Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt (4.6.2023) war nicht mehr damit zu rechnen, dass Weyrauch seine Leistungsfähigkeit gegenüber dem für die Wahl zuständigen Rundfunkrat in dessen Sitzung am 8.6.2023 darlegen konnte.
Eine echte Bestenauslese durch den Rundfunkrat war gefährdet. Zugleich war Weyrauchs Recht auf Chancengleichheit aus Art. 3 I GG betroffen, da er sich entweder der vom Vorsitzenden des Verwaltungsrats verkündeten Gehaltsobergrenze zu beugen oder sich aber aus dem Verfahren zurückzuziehen hatte, was er sodann auch tat.
Dass auf Initiative der verantwortungsbewusst agierenden Mitarbeitervertretungen Weyrauch am 7.6.2023 und damit nur einen Tag vor dem Vorstellungstermin im Rundfunkrat wieder in den Kandidat:innenkreis aufgenommen worden ist, ändert an der Rechtswidrigkeit des vorausgegangenen kompetenzüberschreitenden Verhaltens nichts.
Die Verantwortung für diesen weiteren erheblichen Fehler liegt beim Vorsitzenden des Verwaltungsrats.
Der Umstand, dass der FinKo-Vorsitzende dies tolerierte und den übrigen FinKo-Mitgliedern lapidar per Email mitteilte, dass Kandidat Weyrauch seine Bewerbung zurückgezogen hatte, ist zugleich auch dem FinKo-Vorsitzenden anzulasten.
Ob man insoweit von einem kollusiven Zusammenwirken beider Gremienvorsitzenden sprechen kann, soll hier angesichts der ohnehin massiv und zahlreich vorliegenden Rücktrittsgründe nicht weiter untersucht werden.
Am 8.6.2023 stellten sich die Kandidat:innen im Rundfunkrat vor und ermöglichten dem für die Wahl gemäß § 13 II Nr. 2 rbb-StV originär zuständigen Gremium - lange verspätet - die tatsächlich namensbezogene Kenntnisnahme des Kandidat:innenfeldes. Dies war vor der Wahl am 16.6.2023 selbstredend geboten und ist - bis auf den auch hier unangemessenen Zeitdruck - nicht zu beanstanden.
1. Verstoß gegen den Grundsatz der Staatsferne
Medienverfassungsrechtlich deutlich zu beanstanden ist jedoch, dass der Ministerpräsident an exakt diesem Tag, dem Vorstellungstag im Rundfunkrat, ein persönlich unterzeichnetes Schreiben an die Mitglieder des Verwaltungsrats richtete. Darin bittet er ausdrücklich darum,
„die Hinweise der Rechnungshöfe zur Begrenzung der Vergütung der zukünftigen Intendanz bei der anstehenden Neubesetzung zu prüfen und zu berücksichtigen."
Unabhängig davon, dass diese Berichte der Landesrechnungshöfe bis heute nicht veröffentlicht und nur ausgewählten Journalist:innen Auszüge aus den Berichtsentwürfen in - demokratisch zweifelhaften - Hintergrundgesprächen vorgestellt worden sind, die Bezüge im MP-Schreiben also unzutreffend und irreführend sind, stellt dieses Schreiben eine Verletzung des verfassungsrechtlich anerkannten Grundsatzes der Staatsfeme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dar.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zielt der Grundsatz der Staatsferne darauf ab, das den Rundfunkanstalten grundgesetzlich eingeräumte Grundrecht der Rundfunkfreiheit (Art. 5 I 2 Alt. 2 GG) zu sichern. Aufbau und Arbeitsweise der Rundfunkanstalten sollen vom Einfluss staatlicher Vertreter freigehalten werden.
Da die Staatsgewalt in allen Teilen der öffentlichen Kritik und Kontrolle unterliegt, deren Wirksamkeit wesentlich von der Freiheit der Medien abhängt (sog. ,,Public Watchdog-Funktion" der Medien), ist dem Staat ein Einfluss auf die Rundfunkanstalten untersagt.
Dabei ist der Grundsatz der Staatsferne nicht als komplette Staatsfreiheit, also als völlige Trennung von Staat und Rundfunk, zu interpretieren. Er lässt vielmehr die Schaffung von rahmensetzenden Regelungen zur Herstellung und Erhaltung der Rundfunkfreiheit als Garantie unabhängiger Arbeit der Rundfunkanstalten sowie in begrenztem Umfang auch staatliche Vertreter:innen in den Aufsichtsgremien der Anstalten zu.
Eine rahmensetzende Mindestbeteiligung des Staates am öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist mithin zulässig. Allerdings soll jede politische Instrumentalisierung des Rundfunks ausgeschlossen werden.
Verfassungsrechtlich untersagt sind damit über diesen akzeptierten, rein institutionellen Rahmen hinausgehende direkte oder indirekte Anweisungen der Politik an eine Rundfunkanstalt.
Das an die Mitglieder des Verwaltungsrats gerichtete Schreiben des Ministerpräsidenten signalisiert jenen, dass sie sich für eine Intendanz engagieren sollen, die die Kosten beim dann zu schließenden Dienstvertrag möglichst geringhält. Es ist schließlich der Verwaltungsrat, der den Dienstvertrag mit der neuen Intendanz schließt.
Ungeachtet des Umstands, ob die Mitglieder des Verwaltungsrats dieser „Bitte" dann auch tatsächlich nachgekommen sind, ist jedenfalls der - auch terminlich (8.6.2023) auffällig exakt lancierte - Versuch der Einflussnahme auf die Kandidat:innenauswahl als Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Staatsfeme zu beurteilen.
Form, Inhalt und Zeitpunkt des MP-Schreibens vom 8.6.2023 sollten die Entscheidungs- und Aufsichtsgremien des rbb unter Druck setzen und laufen jeder Vorstellung von rundfunkfreiheitsgarantierender Staatsferne zuwider. Dies ist auch von der Berichterstattung in der ARD deutlich und zutreffend kritisiert worden.
2. Umgehung der Beratung in den Landesparlamenten
Mit seinem Schreiben hat der Ministerpräsident auch den erst zu absolvierenden Beratungen in den Landesparlamenten kompetenzwidrig vorgegriffen.
Die noch zu führende politische Debatte um die künftige Ausgestaltung des rbb-Staatsvertrags, insbesondere die künftige Vergütung der Intendanz, ist in erster Linie Aufgabe des demokratisch legitimierten Landesparlaments und zwar nicht nur des Brandenburgischen, sondern auch des Berliner Parlaments.
Der Einwand, er habe damit die geplanten Regelungen des zu reformierenden rbb-Staatsvertrags lediglich vorwegnehmen wollen, kann nicht durchgreifen. Denn die Beratungen zum rbb¬ Staatsvertrag in beiden (!) Parlamenten müssen abgewartet und vor allem respektiert werden.
Dass dies dem Ministerpräsidenten - eine fachliche Beratung durch die insoweit federführend zuständige Staatskanzlei unterstellt - offensichtlich gleichgültig war, beweist ein bemerkenswertes Verständnis von parlamentarischer Demokratie und institutioneller Gewaltenteilung, die auch der Verfassung des Landes Brandenburg zugrunde liegen.
Die politischen Folgen dieses erheblichen Verstoßes sind im hierfür zuständigen Landtag Brandenburg zu diskutieren, zu bewerten und auf die Tagesordnung zu setzen.
Ob sich der insoweit ausmanövrierte Landtag (genauer: beide Landesparlamente) gegen diese kompetenzüberschreitende Maßnahme des Ministerpräsidenten darüber hinaus im Wege eines Organstreitverfahrens gem. Art. 113 auch gerichtlich zur Wehr setzen will, wird im Rechtsausschuss des Landtags Brandenburg ausführlich zu beraten und sodann zu entscheiden sein.
Die Verantwortlichkeit für diese gegebenen Verstöße tragen Ministerpräsident Woidke und der Vorsitzende des Rundfunkrats, der sich vor der Wahl am 16.6.2023 nicht deutlich von diesen verfassungswidrigen Einflussversuchen distanziert und diese entschlossen zurückgewiesen hat.
1. Verstoß gegen das Leistungsprinzip, Art. 33 II GG
Das vom Kandidaten Weyrauch nach dem 8.6.2023 unterbreitete Kompromissangebot wurde vom - unzuständigen - Vorsitzenden des Verwaltungsrats abgelehnt. Die Ablehnung wurde dem kompromissbereiten Kandidaten nicht selbst, sondern in bemerkenswerter Gleichgültigkeit über die Presse mitgeteilt.
So hieß es in der Berliner Zeitung am 15.6.2023: ,,Für ihn (Ehlers) ist die Sache klar: Nur wer sich mit dem gedeckelten Gehalt zufriedengibt, kann damit rechnen, einen Vertrag für den RBB-Spitzenjob zu bekommen. Wir bleiben hart."
Bereits dieser Umgangsstil mit sensiblen internen Personalangelegenheiten macht den Vorsitzenden des Verwaltungsrats für die Leitung dieses wichtigsten Aufsichtsgremiums des rbb dauerhaft untragbar.
Woher der Vorsitzende des Verwaltungsrats das Mandat bezieht, allein über die Auswahl der potenziellen Intendanten - und zudem noch über die Presse - zu entscheiden, bleibt fraglich. Nur die spätere Zuständigkeit zum Abschluss des Dienstvertrags ermächtigt nicht dazu.
Eine dringend gebotene Rückkoppelung mit der FinKo erfolgte nicht, diese wurde lediglich über die vollendete Tatsache informiert: Den nunmehr endgültigen Rückzug des Kandidaten Weyrauch.
Der - unzuständige - Vorsitzende des Verwaltungsrats hat durch seine willkürliche Handlungsweise das Recht auf Chancengleichheit aus Art. 3 I GG und das in Art. 33 II GG normierte Leistungsprinzip zu Lasten des Kandidaten Weyrauch, aber auch zu Lasten des letztlich entscheidungsbefugten Rundfunkrats verletzt, der tags darauf nicht mehr über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Kandidaten Weyrauch befinden konnte.
Dieser eklatante Rechtsverstoß des Vorsitzenden des Verwaltungsrats ist hier erneut ausdrücklich festzustellen.
Dass sowohl die FinKo als auch der Rundfunkrat, dem damit geeignete Kandidat:innen bewusst vorenthalten worden sind, gegen dieses Vorgehen jedenfalls bisher nicht eingeschritten sind, bleibt für außenstehende Beobachter der rbb-Krise unerklärlich.
Der Vielzahl von Rechtsverstößen im Wahlverfahren hat der Vorsitzende des Verwaltungsrats mit der Ablehnung des Kompromissangebots des Kandidaten Weyrauch einen weiteren von ihm zu verantwortenden Verstoß hinzugefügt.
Spätestens hiermit haben die Rechtsverstöße einen Umfang erreicht, der den Vorsitzenden des Verwaltungsrats für seine bisherige Funktion untragbar macht.
1. Eine „Wahl" bei nur einer Kandidatin
Bei der Wahl im Rundfunkrat am 16.6.2023 traten schließlich nur noch zwei Kandidatinnen an. Nach zwei Wahlgängen hatte eine Kandidatin, Frau Heide Baumann, ihre Kandidatur wegen offensichtlicher Chancenlosigkeit zurückgezogen.
Im dritten Wahlgang erzielte die allein verbliebene Kandidatin, Frau Ulrike Demmer, nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit.
Es wurde dann bemerkenswerterweise ein vierter Wahlgang anberaumt, bei dem die Zweidrittelmehrheit von 16 von 24 Stimmen nur deshalb zustande kam, weil das bis dahin anwesende 25. Rundfunkratsmitglied plötzlich vorzeitig die Wahlveranstaltung verlassen hatte.
Es ist rechtlich schon zweifelhaft, ob bei nur noch einer Kandidatin überhaupt von einer „Wahl" gesprochen werden kann. Letztlich bleibt den Mitgliedern des Rundfunkrats nur die Option, die eine verbliebene Kandidatin zu wählen oder sie abzulehnen.
Eine echte Wahl zwischen mehreren, in etwa vergleichbaren Kandidat:innen liegt darin nicht. Die Wahl mit nur einer Kandidatin war fehlerhaft.
2. Die Unzulässigkeit des vierten Wahlgangs
Frau Demmer hat im dritten Wahlgang nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit erhalten. Damit war sie endgültig nicht gewählt und die Wahl war beendet.
Die Wahl zur rbb-Intendanz hätte zu einem späteren Zeitpunkt mit aussichtsreicheren Kandidat:innen neu angesetzt werden müssen. Es gibt keine Vorschrift, die einen vierten Wahlgang gestattet.
Zwar regelt § 22 I 2 rbb-StV, dass eine wiederholte Wahl zulässig ist. Das kann jedoch allenfalls als Zulässigkeit eines gegebenenfalls notwendig werdenden zweiten und dritten Wahlgangs verstanden werden, nicht aber, dass die Mitglieder des Rundfunkrats so lange wählen müssen, bis die notwendige Zweidrittelmehrheit für eine Kandidatin erreicht wurde.
Hielte man dies für zulässig, würde das einen unzulässigen Druck auf die Mitglieder des Rundfunkrats ausüben. Eine solche Interpretation ist mit dem allgemein konsentierten verfassungsrechtlichen Wahlrechtsgrundsatz der Freiheit der Wahl unvereinbar.
Konsequenz davon wäre auch, dass der für die Wahl originär zuständige Rundfunkrat seine ihm zugewiesene Verfahrenshoheit verlöre, weil er sich zum bloßen Objekt eines diffusen, nicht begründbaren Interesses, in jedem Fall eine Person wählen zu müssen, machen und damit in eine passive Rolle manövriert wurde.
Mit Aufgaben und Konzeption des Rundfunkrats als „Parlament des rbb" ist dies unvereinbar.
Ein vierter Wahlgang hätte nicht stattfinden dürfen.
Der für die Wahl organisatorisch verantwortliche Vorsitzende des Rundfunkrats hat dadurch einen weiteren erheblichen Fehler des Wahlverfahrens verursacht.
Dem steht nicht entgegen, dass die frühere Wahl der rbb-Intendantin Patricia Schlesinger am 7.4.2016 gegen den Kandidaten Theo Koll über insgesamt sechs Wahlgänge führte.
Der Unterschied der damaligen zu der jetzigen Wahl bestand darin, dass zwei sehr aussichtsreiche Kandidat:innen konkurrierten. In diesem Fall dürften auch mehrere Wahlgänge zulässig sein, da beide Konkurrenten von einer entscheidungsrelevanten Zustimmung getragen worden waren.
Ist jedoch nur eine Kandidatin verblieben und erhält sie im - allein von ihr bestrittenen - dritten Wahlgang nicht die erforderliche Mehrheit, so ist ihre Wahl gescheitert.
Die Ansetzung eines vierten Wahlgangs ignoriert eine getroffene demokratische Entscheidung, hier: die Nichtwahl, und ist in einem demokratischen Rechtsstaat (Art. 20 GG) nicht akzeptabel.
3. Das Verlassen des Wahlorts durch das 25. Rundfunkratsmitglied
Der unzulässige vierte Wahlgang wurde zudem noch dadurch verfälscht, dass das 25. Rundfunkratsmitglied plötzlich den Wahlort verließ. Dieses unlautere Verhalten stellt für den Rundfunkrat als „Parlament des rbb" einen Missbrauch der - freilich lückenhaften - Regelungen des rbb-Staatsvertrags dar und ist für dieses bedeutende Gremium unwürdig.
Es ist praktisch die wichtigste Aufgabe des Rundfunkrats, den oder die Intendantin zu wählen.
Eine Abwesenheit von insgesamt sechs Mitgliedern beim Wahlakt ist damit kaum vereinbar. Weshalb dies nicht längst aus den Reihen des Rundfunkrats heraus gerügt wurde, kann nur mit Unverständnis zur Kenntnis genommen werden.
Die Verantwortlichkeit für dieses chaotische Wahlverfahren liegt beim Vorsitzenden des Rundfunkrats.
Das Wahlergebnis bestand darin, dass Frau Demmer in einem - unzulässigen - vierten Wahlgang mit der Mindeststimmenzahl von 16 von 24 Stimmen im Rundfunkrat zur neuen rbb¬-Intendantin gewählt worden ist.
1. Fehlerhaftigkeit des Wahlergebnisses mangels Qualifikation
Bei Anlegung der in der Intendantenausschreibung aufgezählten Anforderungen muss man aus dem hier allein maßgeblichen fachlichen Blickwinkel zu der Einschätzung gelangen, dass Frau Demmer diese Anforderungen nicht erfüllt.
Sie hat die Erste Juristische Staatsprüfung bestanden und arbeitete nach dem Besuch der Berliner Journalistenschule in einigen journalistischen Bereichen wie dem ZDF, dem Spiegel, dem Focus und leitete das Hauptstadtbüro des Redaktions-Netzwerk Deutschland. Anschließend wirkte sie für fünfeinhalb Jahre (Juni 2016 bis Dezember 2021) als stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung und - daraus automatisch resultierend - stellvertretende Leiterin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung.
Einige der genannten Positionen sind zweifellos ehrenvolle journalistische Stationen. Sie erreichen aber auch bei sehr wohlwollender Würdigung nicht einmal ansatzweise die in der Ausschreibung aufgeführten Anforderungen.
Eine „mehrjährige Führungs-, Management- und Budgeterfahrung" kann Frau Demmer nicht nachweisen.
,,Personalverantwortung in komplexen Strukturen, möglichst im öffentlich-rechtlichen Kontext" hat sie bisher nicht übernommen.
,,Erfahrung in Krisen- und Veränderungsmanagement sowie in Transformationsprozessen, Kultur- und Strukturwandel" lassen sich dem beruflichen Werdegang, insbesondere auch in den der Wahl im Juni 2023 vorausgehenden eineinhalb Jahren, ebenfalls nicht entnehmen.
Das gilt überdies für „langjährige Erfahrung in der Führung von großen Organisationseinheiten", für „Visionen vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Zukunft" und für die „erwiesene Fähigkeit und Bereitschaft, die Kompetenzen der Belegschaft einzubeziehen".
Die mit der Position als stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung vermeintlich automatisch verbundene Position der Leiterin des Presse- und Informationsamtes führt nicht zu einem nennenswerten Nachweis von Personal- und Führungserfahrung.
Diese Verbindung lässt sich dem Organigramm dieser staatlichen Behörde so nicht entnehmen. Wie allgemein bekannt, liegt die wirkliche Personalverantwortung - wie in jeder Bundesbehörde - bei der Abteilungsleitung I bzw. Z (Zentralabteilung).
Personalgespräche, Beförderungsentscheidungen und Versetzungen werden im sog. Bundespresseamt (BPA) nicht von der stellvertretenden Regierungssprecherin geführt bzw. getroffen. Aus der Angabe dieser beruflichen Position, die 2016 auf Vermittlung des damaligen Bundesministers für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, nach parteipolitischem Proporz zustande kam, folgt für die notwendige Qualifikation als Intendantin daher wenig.
Welche medienpolitisch bedeutende Tätigkeit Frau Demmer von Januar 2022 bis Juni 2023 ausübte und sie in die Lage versetzte, sich aus einer längeren Phase medienpolitischer Abwesenheit gleich unmittelbar für die Stelle der rbb-Intendantin zu bewerben, ist weder ersichtlich noch bekannt.
Um überhaupt eine realistische Chance in diesem Bewerbungsverfahren zu haben, musste es sich mindestens um eine deutlich hervorgehobene Tätigkeit im öffentlich-rechtlichen Medienbereich handeln. Andernfalls würde das Spitzenamt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Berlin-Brandenburg der Lächerlichkeit preisgegeben.
Eine solche, aus dem normalen journalistischen Tagesgeschäft herausragende mediale Tätigkeit lässt sich bei Frau Demmer nicht erkennen.
Die Kandidatin kam - in Ermangelung irgendeiner Erklärung - aus einer längeren Phase medienpolitischer Abwesenheit, was schon die Aufnahme in die Gruppe der fünf, in der FinKo-Sitzung am 2.5.2023 ausgewählten Kandidat:innen zwingend ausschließen musste.
Dass im gesamten Bewerbungsverfahren nicht ein einziges Mal danach gefragt worden ist, entlarvt dieses Verfahren als kritiklose Wahl-Imitation und erbringt den erschütternden Nachweis, dass es den Rundfunkratsmitgliedern letztlich egal war, wer in den nächsten fünf Jahren dem rbb als Intendantin vorsteht.
Das kommt einer funktionalen Kapitulation des Rundfunkrats gleich.
Bei aller Anerkennung für das bestandene anspruchsvolle Erste Juristische Staatsexamen und den erfolgreichen journalistischen Werdegang von Frau Demmer erfüllt sie die Ausschreibungskriterien der Intendanz des rbb bei weitem nicht. Jedoch hätte die FinKo Frau Demmer von vornherein nicht als Kandidatin aufstellen dürfen, denn ihr fehlt die für die Leitung einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt notwendige Staatsferne.
2. Fehlende Staatsferne von Frau Demmer
Nicht nur im rbb selbst, sondern auch in der deutschen Medienöffentlichkeit ist kritisiert worden, dass Frau Demmer als ehemalige stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung (Juni 2016 - Dezember 2021) nicht in der Lage ist, die verfassungsrechtlich gebotene Staatsferne des rbb als öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt zu garantieren.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zielt der Grundsatz der Staatsferne darauf ab, das den Rundfunkanstalten grundgesetzlich eingeräumte Grundrecht der Rundfunkfreiheit (Art. 5 I 2 Alt. 2 GG) zu sichern.
Aufbau und Arbeitsweise der Rundfunkanstalten sollen vom Einfluss staatlicher Vertreter freigehalten werden. Da die Staatsgewalt in allen Teilen der öffentlichen Kritik und Kontrolle unterliegt, deren Wirksamkeit wesentlich von der Freiheit der Medien abhängt (sog. ,,Public Watchdog-Funktion" der Medien), ist dem Staat ein Einfluss auf die Rundfunkanstalten untersagt (siehe oben).
Eine fünfeinhalbjährige Tätigkeit als stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung verlangt eine ständige Erklärung und Verteidigung der Politik der Bundesregierung gegenüber Presse- und Rundfunkjournalisten. Dabei geht es in erster Linie darum, den eigentlichen Kontrolleuren des Staates - der sog. Vierten Gewalt - möglichst nur punktuelle Einblicke in die Entscheidungsprozesse der Bundesregierung zu gestatten.
Es gilt, in der Bundespressekonferenz einerseits ausgesuchte Informationen zu verkünden, andererseits aber den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung rhetorisch zu verwalten und abzuschirmen. Das setzt als tätigkeitsimmanenten Anspruch eine besonders intensive Identifizierung mit den Positionen der Bundesregierung voraus, die man von einer stellvertretenden Regierungssprecherin auch unstreitig erwarten kann.
Diesen völlig selbstverständlichen Anspruch bestätigt Frau Demmer in einem Interview mit der Jugendzeitschrift der Bundeszentrale für politische Bildung „fluter":
„Um die Positionen der Bundesregierung glaubwürdig vertreten zu können, sollte man die Grundüberzeugungen der Großen Koalition teilen."
Die fehlende Staatsferne wird zusätzlich durch die Einordnung Frau Demmers als Ministerialdirektorin in die Besoldungsgruppe B10 belegt. Deutlichere Tatsachen für eine Staatsnähe sind kaum denkbar.
Die fehlende Staatsferne der Kandidatin Demmer wird schließlich unstreitig dadurch belegt, dass sie kurz vor und in ihrer Zeit als stellvertretende Regierungssprecherin offensichtlich noch ausreichend Zeit fand, gleich zwei Biographien über Ursula von der Leyen zu verfassen.
Mit beiden Büchern sollte die politische Karriere der damaligen Bundesministerin der Verteidigung und heutigen Präsidentin der Europäischen Kommission publizistisch befördert werden. Das setzt gerade bei Biographien engste Verbindungen zu Person und politischer Überzeugung voraus.
Das ist nicht mehr nur Staatsnähe, sondern vollständige Staatsidentifikation.
Diese Umstände führen in ihrer Gesamtheit dazu, dass der Kandidatin Demmer die für die Arbeit als Intendantin einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt zwingend erforderliche Staatsferne abzusprechen ist.
Es ist nun Aufgabe des Rundfunkrats, zu entscheiden, ob der geschlossene Dienstvertrag wegen der fehlenden sachlichen Grundlage somit unverzüglich aufzuheben ist. In der Folge ist Frau Demmer als Intendantin abzuberufen.
Für die Fehlerhaftigkeit des Wahlergebnisses trägt der Vorsitzende des Rundfunkrats die Verantwortung.
Das anhand des Positionspapiers der Mitarbeitervertretungen vom 8.8.2023 evaluierte Verfahren zur Wahl der rbb-Intendanz war aus mehreren Gründen rechtswidrig und verletzte den Personalrat und die Freienvertretung in ihren Beteiligungsrechten.
Die permanente Nichtberücksichtigung der Interessen der Mitarbeitervertretungen, insbesondere des Vorschlags zur angemessenen Verschiebung der Intendantenwahl, beschränkte das Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretungen bei der Einstellung der neuen Intendantin in rechtlich unzulässiger Weise.
Wenn sachliche Argumente der Belegschaft in selbstherrlich-abwertender Weise zurückgewiesen werden, kann von einer echten Mitbestimmung von Personalrat und Freienvertretung nicht gesprochen werden.
Mitbestimmung wird so zur bloßen Förmelei degradiert, was der gesetzgeberischen Intention zuwiderläuft.
Der politisch mehrfach und nachdrücklich formulierte Anspruch eines Neuanfangs des rbb ist dadurch in sein Gegenteil verkehrt worden.
Der eingetretene rechtswidrige Zustand gefährdet die Zukunft der Rundfunkanstalt und bedarf entschlossener und professioneller Konsequenzen.
Aus der vom Vorsitzenden des Rundfunkrats und vom Vorsitzenden des Verwaltungsrats zu verantwortenden Rechtswidrigkeit des Verfahrens zur Wahl der rbb-Intendanz und der damit einhergehenden erheblichen Verletzung der Beteiligungsrechte der rbb-Mitarbeitervertretungen folgen für die rbb-Gremien mehrere Konsequenzen:
I. Neuwahl der rbb-Intendanz
Die festgestellte Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens führt dazu, dass die rbb-Intendanz neu zu wählen ist.
Ob das noch unter der Geltung des gegenwärtigen oder sodann erst des reformierten rbb-Staatsvertrags geschehen soll, obliegt der Entscheidung des hierfür zuständigen Rundfunkrats.
Hiergegen kann nicht eingewandt werden, eine erneute Wahl sei organisatorisch zu aufwendig oder man habe mit der am 16.6.2023 gewählten Intendantin bereits einen Dienstvertrag geschlossen. Denn die Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens und die Verletzung der Beteiligungsrechte wirken fort und infizieren dann auch den geschlossenen Dienstvertrag.
Im Ergebnis sind damit alle Schritte, die kausal auf das rechtswidrige Wahlverfahren zurückgehen, fehlerhaft und in rechtmäßiger Weise neu vorzunehmen.
Dies könnte allenfalls dann anders zu bewerten sein, wenn sich die Wahlfehler nicht auf das Wahlergebnis ausgewirkt haben, wenn also auch bei unterstellt ordnungsgemäßer Wahl das jetzige Ergebnis eingetreten wäre.
In Entsprechung des in Wahlprüfungsverfahren vom Bundesverfassungsgericht verwendeten Kriteriums der Mandatsrelevanz müsste hier von Ergebnisrelevanz gesprochen werden.
Für eine so verstandene Relevanz verlangt die neuere verfassungsgerichtliche Rechtsprechung nicht einen konkreten Nachweis der Auswirkungen auf das Ergebnis. Vielmehr gilt der Grundsatz der potentiellen Kausalität.
Jene liegt vor, wenn eine nach allgemeiner Lebenserfahrung konkrete und nicht ganz fernliegende Möglichkeit besteht, dass sich die festgestellten Wahlfehler auf das Ergebnis ausgewirkt haben.
Diese „nicht ganz fernliegende Möglichkeit" ist hier anzunehmen: Wäre das Wahlverfahren rechtmäßig verlaufen, wäre mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine andere Kandidatin bzw. ein anderer Kandidat zur Intendantin/zum Intendanten gewählt worden.
Die festgestellten Wahlfehler konnten das Wahlergebnis beeinflussen und waren somit potentiell kausal. Der mögliche Einwand, es wäre doch ohnehin niemand anderes gewählt worden, ist deshalb ausgeschlossen und kann der Forderung nach einer Neuwahl nicht entgegengehalten werden.
II. Zur Rolle des Rundfunkratsvorsitzenden
Die aufgetretenen Wahlfehler sind in erster Linie dem Vorsitzenden des Rundfunkrats anzulasten. Er war für die Wahl der rbb-Intendanz verantwortlich und zudem Vorsitzender der FinKo. Letztere Position unterliegt bereits organisatorisch großen Bedenken.
Da Aufgabe der FinKo die Bewerberakquise und die Vorstellung von vermeintlich geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern gegenüber dem Rundfunkrat ist, führt dies zu der eigenartigen Doppelrolle, dass der Vorsitzende des Rundfunkrats sich die Bewerberinnen und Bewerber praktisch selbst vorstellt und damit jedenfalls erheblichen Einfluss auf die Wahloptionen der anderen 29 Rundfunkratsmitglieder nimmt.
Dieser konzeptionelle Webfehler der FinKo bildet jedoch nur eine Randnotiz im Vergleich zur organisatorischen Qualität des Wahlverfahrens.
Das von der FinKo und vom Rundfunkrat durchgeführte Wahlverfahren kann angesichts der vielen vom Vorsitzenden in seiner Doppelrolle zu verantwortenden Mängel nur als amateurhaft bezeichnet werden.
Ohne sich der Bedeutung einer Wahl dieses Niveaus bewusst zu sein und ohne mit einem so hochrangigen Auswahlprozess hinsichtlich Bewerbersichtung, Begutachtung und Wahl nur annähernd vertraut zu sein, wurden höchst fehlerhafte Entscheidungen getroffen, die eine ordnungsgemäße Wahl unter Beachtung des verfassungsrechtlichen Gebots der Bestenauslese verhinderten.
Angesichts dieser unprofessionellen Verfahrensweise muss zwingend die Frage gestellt werden, ob der Vorsitzende des Rundfunkrats den anspruchsvollen Aufgaben gewachsen ist.
Der berufliche Werdegang legt bei allein möglicher kursorischer Betrachtung keine spezifischen Kompetenzen nahe, die zur Leitung des größten rbb-Gremiums (30 Mitglieder) besonders befähigen. Weder lassen sich Führungs-, Management-, Verwaltungs- und Budgeterfahrung noch Personal- sowie Gremienerfahrung ersehen.
Überdies lassen sich dem Werdegang auch keine medienrechtlichen, vor allem rundfunkrechtlichen, Kenntnisse und die für ein solch herausragendes Amt unstreitig erforderlichen medienpolitischen Vorerfahrungen entnehmen.
Es ist daher bereits unter rein fachlichen Gesichtspunkten schlechterdings nicht vernünftig zu erklären, welche Kenntnisse und Fähigkeiten den Vorsitzenden des Rundfunkrats zur Leitung dieses Gremiums prädestinieren.
Der Rundfunkrat stellt das Parlament des rbb dar und verlangt einen auf höchstem Niveau professionell agierenden Vorsitzenden.
Wie das mehrfach fehlerhafte Wahlverfahren eindrücklich gezeigt hat, wird der bisherige Vorsitzende diesem Anspruch nicht gerecht.
Er ist somit unverzüglich abzuberufen.
III. Zur Rolle des Verwaltungsratsvorsitzenden
Daneben ist auch der Vorsitzende des Verwaltungsrats für das rechtswidrige Wahlverfahren verantwortlich.
Insbesondere die ohne jedes Mandat geführten Gehaltsverhandlungen mit einem Bewerber und das diesbezügliche Aufschwingen zum Alleinentscheider (,,Herr des Verfahrens") lassen den Vorsitzenden als höchst eigenmächtig und unabgestimmt handelnden Akteur erscheinen. Das verletzt den Anspruch an den Vorsitz des wichtigsten Aufsichtsgremiums.
Dass der Vorsitzende über keinerlei Expertise im Rundfunkrecht und keinerlei Erfahrung in der Medienpraxis verfügt, machen seine Berufung zum Vorsitzenden des Verwaltungsrats aus fachlicher Perspektive unerklärlich und für einen außenstehenden Dritten nicht ansatzweise nachvollziehbar.
Ob diese im Hinblick auf den Aufgabenumfang des Verwaltungsrats überschaubare Qualifikation weiter gleichgültig geduldet werden soll oder von den Gremien überhaupt erkannt worden ist, müsste der hierfür zuständige Rundfunkrat in einer vertieften Debatte beraten.
Aus der hier allein maßgeblichen rundfunkverfassungsrechtlichen Sicht lässt das unprofessionelle Wirken des Vorsitzenden eine weitere Leitung dieses Gremiums nicht mehr zu.
Er ist zum Wohle des rbb unverzüglich abzuberufen.
IV. Die Zusammensetzung des Verwaltungsrats
Als wichtigstes Aufsichtsgremium des rbb überwacht der Verwaltungsrat die Geschäftsführung des Intendanten oder der Intendantin, schließt den Dienstvertrag mit diesem/dieser, vertritt den rbb gegenüber dem Intendanten/der Intendantin in allen Rechtsgeschäften und Rechtsstreitigkeiten, prüft den Wirtschaftsplan, den Jahresabschluss und den Geschäftsbericht und erlässt die Finanzordnung.
Es ist offensichtlich und vollkommen unstreitig, dass nur solche Personen dem siebenköpfigen Verwaltungsrat angehören können, welche die für diese hochanspruchsvolle Aufsichtstätigkeit zwingend erforderliche fachliche Eignung und Integrität besitzen.
Dieses mit einem großen Maß an Verantwortlichkeit ausgestattete Gremium verlangt nicht nur nach sachverständigen, sondern auch nach zuverlässigen und vertrauenswürdigen Persönlichkeiten.
In Anbetracht dieses geradezu selbstverständlichen Maßstabs muss es mehr als verwundern, dass im Verwaltungsrat auch Mitglieder vertreten sind, deren akademisches Wirken jedenfalls von der Fachöffentlichkeit als hochproblematisch betrachtet und diskutiert worden ist.
Wenn gegenüber einem Werk über „Juristische Arbeitstechniken und Methoden" massive Plagiatsvorwürfe erhoben worden sind und zudem zwei daran auch beteiligten Doktoranden des renommierten Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster wegen mehrerer Plagiate in ihren Dissertationen der Doktorgrad entzogen werden musste, so kann man nur mit äußerstem Erstaunen zur Kenntnis nehmen, dass die hierfür verantwortliche Person ohne jede Diskussion einen Sitz im Verwaltungsrat erhalten hat.
Gerade unter dem vom rbb vielfach formulierten Anspruch eines Neuanfangs bei der Besetzung aller rbb-Gremien - insbesondere der Neukonstituierung des Verwaltungsrats am 20.4.2023 - sind solche Personalien offenbar nicht einmal ansatzweise zuvor diskutiert und unter Integritätsaspekten bewertet worden.
Ein derart gleichgültiger Umgang mit der Besetzung des wichtigsten Aufsichtsgremiums lässt einen außenstehenden Betrachter auch angesichts der bemerkenswerten Vorgeschichte des Vorgänger-Verwaltungsrats in Irritation und Ratlosigkeit zurück.
Nur nebenbei ist der Verwunderung Ausdruck zu verleihen, warum für die Arbeit im Verwaltungsrat nicht zumindest ein regionaler Bezug der Mitglieder zur Voraussetzung erklärt wird.
Ohne das große Sendegebiet des rbb aus eigener Anschauung zu kennen und dessen Besonderheiten einschätzen zu können, dürfte eine Mitgliedschaft im wichtigsten Aufsichtsgremium schon sachlich ausgeschlossen sein.
Auch insoweit ist eine Überprüfung der Mitgliederstruktur des Verwaltungsrats nicht nur empfehlenswert, sondern dringend notwendig.
Verwaltungsräte müssen ihren Wohnsitz im rbb-Sendegebiet Berlin-Brandenburg haben, alles andere führt zur Unglaubwürdigkeit der Aufsichtstätigkeit.
V. Zur Rolle der Mitarbeitervertretungen
Angesichts der personellen Zusammensetzung der FinKo müsste auch die Rolle der Mitarbeitervertretungen betrachtet werden. Da sie ein Drittel der FinKo ausmachten, erscheint die Frage naheliegend, weshalb der Personalrat und die Freienvertretung an der einen oder anderen Stelle des Bewerbungsverfahrens nicht noch entschiedener widersprochen haben.
Deutlich zu betonen ist, dass die Mitarbeitervertretungen - besonders in der letzten Phase des Verfahrens - immer wieder Kritik geübt haben, so wurde u. a. der Umgang des Verwaltungsratsvorsitzenden mit dem Kandidaten Weyrauch massiv kritisiert, was zu dessen Wiederzulassung zum Bewerbungsverfahren führte.
Zuletzt haben sie am Wahltag vollkommen zutreffend und öffentlich wahrnehmbar die berechtigte Forderung erhoben, die mehr als chaotisch vorbereitete Wahl um einen angemessenen Zeitraum zu verschieben. All ihre Initiativen zeugen von einer entschlossenen, sachgerechten und abgewogenen Interessenvertretung durch den Personalrat und die Freienvertretung.
Jedoch wären im Einzelfall durchaus noch direktere Interventionen in das unprofessionell geleitete Bewerbungsverfahren denkbar und in der Rolle als Mitglieder der FinKo auch zulässig gewesen, bin hin zur Frage, ob sie ihre Arbeit in der FinKo eventuell nicht hätten niederlegen müssen.
Andererseits befanden sich die Mitarbeitervertreter:innen in einem Dilemma; ein Ausstieg hätte sie auch jeder Einflussnahme beraubt.
Gleichwohl bleiben das nur hypothetische Annahmen, deren Einfluss auf das Verfahren nicht sicher prognostiziert werden kann.
Potsdam, 25. September 2023
Prof. Dr. Marcus Schladebach, LL.M.
Professor für Öffentliches Recht und Medienrecht, Universität Potsdam